ELEKTRODIAGNOSTIK

Mit unserer Geräte-Einheit zur Elektrodiagnostik steht uns ein ausgesprochen nützliches Hilfsmittel zur Verfügung, um Nerven- und Muskelfunktionstests durchzuführen. Ebenfalls sind Hörtests (Audiometrie) und Sehtests verfügbar.

Wie funktioniert ein solches Gerät?

Die elektrodiagnostische Einheit misst feinste elektrische Signale und Entladungen, mit denen der Körper gesteuert wird. Wenn ein Reiz im Gehirn entsteht, so läuft er z.B. entlang des Rückenmarks über die Nerven bis hin zu einem Muskel, der sich dann bewegt, wenn der Reiz ihn erreicht. Mit Hilfe der Elektrodiagnostik kann man solche Reize auch künstlich erzeugen und dann messen, wieviel von diesem Reiz im Muskel ankommt und wie lange es dauert, bis ein solcher Reiz ankommt. Verzögerungen aufgrund einer Nervenschädigung können so leicht erkannt werden.

Reizaktivitäten in der Muskulatur können ebenfalls gemessen und interpretiert werden, um Rückschlüsse auf Nerven- und Muskelerkrankungen zu ziehen.

Für die praktische Anwendung bedeutet dies eine große Hilfe in der Erkennung und Einordnung neurologischer Probleme und damit hilft es dabei, neurologische Patienten besser zu diagnostizieren und Heilungserfolge zu dokumentieren.

Oft sind es aber auch unklare Lahmheiten, deren Ursachen durch Einsatz der Elektrodiagnostik aufgeklärt werden können. Es gibt Patienten, bei denen es anhand der klinischen Untersuchung schwer fällt zu unterscheiden, ob es sich um eine orthopädische oder neurologische Gangstörung handelt. Wie die Elektrodiagnostik hier entscheidend zu einer Diagnosesicherung beiträgt, ist weiter unten („Nerven- und Muskelfunktionstests“) beschrieben.

In den Kapiteln „Hörtests“ und „Sehtests“ ist zu lesen, wie man beim Tier ein Seh- und Hörvermögen, auch einseitig, feststellen und dokumentieren kann.

Nerven- und Muskelfunktionstests

Bei Erkrankung von Sehnen, Gelenken oder Knochen entstehen Gangstörungen, die man als orthopädisch einstuft. Man spricht von Lahmheit.

Eine Erkrankung der Nerven oder Muskeln führt zu einer neurologischen Gangstörung. Diese bezeichnet man als Lähmung. Bei einigen Patienten sind Lahmheit und Lähmung nicht mit bloßem Auge und anhand der klinischen Untersuchung zu unterscheiden. Da aber die Therapie beider sich erheblich unterscheiden kann ist eine Differenzierung mit Hilfe der Elektrodiagnostik wichtig.

Tier-Neurologie: elektrodiagnostische Untersuchung eines Hundes durch Dr. Florian KönigHier helfen Elektromyographie (EMG) und eine Nervenfunktionsanalyse dabei, zweifelsfreie Diagnosen zu stellen. Neurologische Patienten zeigen 5-7 Tage nach Eintreten des Schadens Spontanaktivitäten in der Muskulatur. Die mit Nervensignalen unterversorgten Muskeln beginnen also, selbstständig Signale auszusenden, die mit der EMG gemessen werden können. Ein solches Phänomen wird bei einer orthopädischen Lahmheit nicht beobachtet.

[:de]Elektrodiagnostik bei einem Hund[:]

Weiterhin kann man die Fähigkeit eines jeden größeren Nervs, elektrische Impulse weiterzuleiten, messen. Man kann auch die Geschwindigkeit messen, mit der ein Nerv die elektrischen Impulse weiterleitet. Eine solche Nervenfunktionsanalyse hilft dann nicht nur dabei, einen Nervenschaden zu erkennen, sondern auch zu lokalisieren und seinen Schweregrad einzuschätzen. Eine Grundvoraussetzung für eine gezielte Prognose und Therapie!

 

Hörtests (Brain Auditory Evoked Potentials, BAEP, Audiometrie)

Nicht nur beim Dalmatiner kann Taubheit vererbt werden. Deshalb führen wir oft Zuchtuntersuchungen durch, welche den Züchtern vor Abgabe ihrer Welpen an die neuen Besitzer die Sicherheit geben, auch hörgesunde Welpen abzugeben. Aber auch bei vielen anderen Patienten stellt sich die Frage nach der Hörfähigkeit.

Die Hörfähigkeit kann durch einen Schaden am Ohr oder am Gehörnerv (peripher) beeinträchtigt sein, oder durch einen Schaden am Gehirn (zentral), welches die Reize verarbeitet, umsetzt und bewusst werden lässt. Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen ist von großer Bedeutung für die Prognose, das heißt der Einschätzung, ob das Tier das Hören wieder erlernen kann oder nicht.

Bei der audiometrischen Messung von BAEP (Brain Auditory Evoked Potentials) werden akustische Signale (clicks) in das zu untersuchende Ohr gesendet und die Reaktion auf diese Signale (Spiralganglien, Hörnerv, Hirnstamm) an der Kopfhaut aufgenommen (ähnlich wie bei Hirnstrommessungen). Dies funktioniert ab einem Alter von 5 Wochen. Mit den BAEP kann lokalisiert eine zweifelsfreie Aussage getroffen und dokumentiert werden. Beim Dalmatiner und vielen anderen Rassen ist dies eine Voraussetzung zur Zuchtzulassung, bei vielen anderen Tieren verschafft die BAEP Klarheit und diagnostische Sicherheit.

Schematische Darstellung eines Hörtests

Schematische Darstellung eines Hörtests

Hörtest einer linksseitig tauben Katze

Hörtest einer linksseitig tauben Katze

 

Sehtests (Visuell evozierte Potenziale, VEP, Elektroretinographie, ERG)

Bei der Beurteilung des Sehvermögens interessieren grob unterteilt 3 Strukturen: Das Auge, welches den visuellen Reiz aufnimmt, der Sehnerv, welcher ihn weiterleitet und das Gehirn, welches ihn verarbeitet und bewusst werden lässt. Eine Beschädigung einer dieser drei Einheiten kann zu dem gleichen klinischen Erscheinungsbild (Blindheit) führen. Da bei unterschiedlichen Krankheiten unterschiedlich behandelt wird, will man natürlich wissen, an welcher Stelle die Blindheit ausgelöst wird.

Mit VEP messen wir Hirnströme, die nach der Gabe eines Lichtreizes eine Reaktion im Gehirn anzeigen. Werden diese Reize im Gehirn verarbeitet, so darf man von funktionierenden Bahnen vom Auge über den Sehnerv (peripher) bis in das Gehirn (zentral) ausgehen. Das heißt nicht nur, dass das Tier die visuellen Reize über das Auge aufnehmen kann, sondern sie auch weiterleiten und dann im Gehirn verarbeiten kann. Eine Unterbrechung dieser Funktionen wird durch das VEP angezeigt.

Das ERG misst die Aufnahme von Lichtreizen durch das Auge. Unverzichtbare Informationen, wenn es zum Beispiel um die Entscheidung geht, ob Linsenoperationen (grauer Star) sinnvoll sind, um ein Sehvermögen wiederherzustellen. Denn nur ein ansonsten intaktes Auge ist nach einer Linsenoperation wieder sehfähig.

Ein Verzicht auf neue diagnostische Leistungen ist in vielen Fällen nicht mehr zeitgemäß und oft auch nicht gewünscht.

Autor: Dr. Florian König